Tagebuch

August 2021 – Weite Wege

August schon. Nach sechs Monaten im Homeoffice allein daheim geht es auch für mich an drei Tagen der Woche wieder zurück ins Büro. Es ist gleichermassen seltsam und nett, wieder unter Menschen zu sein. Ich trage weiterhin durchgehend Maske (das wird später im Herbst mit den steigenden Fallzahlen dann eh Pflicht) und bin vor allem viel draussen unterwegs. Der Jungfrau-Marathon naht mit grossen Schritten, ausserdem ist das Wetter meistens schön, und so nehme ich ein bisschen zusätzlich frei. Mittwochs radle ich ein Stück bergauf und kullere zurück nach Hause, mit dem einen oder anderen anschliessenden Aareschwumm, bevor ich von zu Hause aus noch ein bisschen arbeite.

Freitags stopfe ich eine Schüssel mit dem Frühstücks-Haferbrei in meine Laufweste und es geht als Höhenmetertraining zu Fuss auf unseren Hausberg, und dann mit Seilbahn und Zug wieder nach Hause, zurück an die Arbeit. Beim ersten Mal ist es oben recht stürmisch, und holla, schaukelt die Gondel beim Runterfahren. So oft ich schon damit gefahren bin, diesmal wird mir ganz anders, und sich kurz vor dem Jungfrau-Marathon noch eine Seilbahnphobie zuzulegen, ist irgendwie schon noch recht unpraktisch.

Sonntags gibt es auch weiterhin nach dem langen Lauf einen Ausflug mit dem Rad, mit Zwischenstop im Café in der Nachbarstadt. Da die Sommerferien dem Ende zugehen, ist es dort inzwischen recht voll. Daher fange ich an, mir meinem Lieblingstisch auf der Terrasse vorab zu reservieren, und nenne das dann „Besenwagentraining“. Und amüsiere mich dann sehr darüber, dass ich es tatsächlich jedesmal trotz vorheriger Laufrunde und der Entfernung punktgenau schaffe.

Viel Koffein und Zucker bedeutet ja aber auch immer, dass ich irgendwelche Dummheiten mache. Und so finde ich mich auf dem Heimweg plötzlich auf einem „kleinen“ Schlenker über das Emmental wieder. Es ist total bekloppt, total toll, und „don’t do this at home“, wie Ralf Scholt vom Bestzeit-Podcast sagen würde – ich fahre einfach drauflos, der Handyakku, den ich für die Navigation und eventuelle Notfall-Zugfahrkarten und ähnliches brauche, ist irgendwann bedenklich leer, die Entfernung nach Hause wird immer weiter statt kürzer, genügend Snacks habe ich auch nicht dabei, und eigentlich sollte ich wieder daheim sein, bevor der Tag zu Ende ist.

Glücklicherweise lässt sich hier Trinkwasser in vielen Dörfern am Brunnen auffüllen, der Akku reicht knapp, bis ich wieder zurück in bekannter Gegend bin, beim Notfallstop am Schluss hat sich grad noch so ein letzter und nur leicht angestaubter Snack in der Tasche finden lassen, und das Überholen von der Gruppe mit den als Rennradfahrer getarnten Sonntagsbummlern ging dann doch noch ohne Unfall aus. Das war mit 120 Kilometern die weiteste Strecke, die ich jemals an einem Tag mit dem Rad gefahren bin, und irgendwann später bin ich dann auch wieder vom Sofa aufgestanden.

Am Sonntag danach fahre ich dann zur Abwechlung und diesmal geplanterweise nach dem Frühstück im Café in die andere Richtung – ich will nach Luzern und dann mit dem Zug wieder heim. Die Strecke sieht hübsch aus und die Entfernung machbar, und diesmal ist auch das Handy voll aufgeladen. Aber natürlich klappt der Ausflug nicht ganz so, wie ich mir das vorgestellt habe:

Plan: Irgendwo unterwegs hübsch am See sitzen.
Realität: Am See ist alles bis auf den letzten Millimeter zugebaut oder überfüllt.

Nichtsdestotrotz komme ich irgendwann tatsächlich in Luzern an, esse ein bisschen was in meinem Lieblingsrestaurant, kurve noch ein bisschen am See entlang und Himmel, sind hier viele Menschen unterwegs. Mit dem Zug geht es dann wie geplant zurück nach Hause in die kleine Stadt.

Am Monatsende kommt die Startnummer für den Jungfrau-Marathon und es gibt keine neuen Laufverletzungen, es wird tatsächlich ernst.

Juli 2021 – Einmal Hochwasser und zurück

Es ist Juli. Es regnet. Und regnet und regnet und regnet. Der Frost im Frühling hat einen Teil der Apfelblüten zerstört, dann hat der Hagel im Mai viele Erdbeerfelder vernichtet und Pfirsiche aus dem Buechibärg wird es dieses Jahr keine geben. Jetzt schwimmt ein grosser Teil der Ernte auf den Feldern davon. Es ist kein gutes Jahr für die Obst- und Gemüseproduzent:innen.

Pech mit dem Wetter haben auch die Teilnehmer:innen des Three Peaks Bike Race, das in diesem Jahr von Wien nach Barcelona führt. Nachdem mich die Dokumentation vom letzten Jahr so begeistert hat (Trailer), verfolge ich gespannt die diesjährige Ausgabe auf Dotwatcher und Instagram. Bei über 30 Grad und Sonnenschein wird in Wien gestartet. Als die meisten Teilnehmer:innen die Schweiz erreichen, ist es vorbei mit dem schönen Wetter und ein Unwetter tobt sich in den Bergen aus – Regen, Hagel, Sturm, Schnee, das ganze Programm inklusive gesperrter Alpenpässe. Am liebsten würde ich mich bei allen persönlich entschuldigen und versichern, dass es hier sonst wirklich schön ist. Und bin erleichtert, sobald sich die kleinen Punkte auf der Landkarte aus der Schweiz herausbewegen, nach Frankreich und in besseres Wetter, später durch die Pyrenäen (einige wählen Bergwegen, bei denen das Rad getragen werden muss…) und weiter ins Ziel.

Mein Wade geht es zum Glück wieder besser, und so stehen auch wieder lange Läufe auf dem Plan, mit der gewohnten Runde an der Aare entlang ins Nachbarstädtchen.

Aber da war ja etwas mit Hochwasser. Daher sind weite Teile vom Aareweg gesperrt und ich muss mich irgendwie aussenrum lavieren. Auch auf der Strasse oberhalb vom Fluss merkt man den vielen Regen der letzten Zeit, ohne Erdrutsche und umgestürzte Bäume geht es auch hier nicht. Zum Schluss treffe ich noch auf einen sehr schlecht gelaunten Bussard. Der natürlich nur sein Nest verteidigt, aber ich würde da halt auch gerne vorbei… So versuche ich den Spagat zwischen „zwischen den Sträuchern unsichtbar machen und nicht bewegen“ und „so schnell wie möglich weg hier“, und bin heilfroh, als ich wieder auf gewohntem Terrain bin und der Rückweg auf der anderen Flussseite viel langweiliger ist. Dieser Tag kommt definitiv nicht in den Top 10 der schönsten Läufe, und für den Rest vom Juli laufe ich stattdessen viele kleine Runden auf der Hausstrecke, wo es weder Hochwassersperrungen noch Bussarde gibt.

Derweil eskaliert die Situation mit dem Fahrradfahren weiter. Unter der Woche geht es ein Stück weit den Berg hoch, Sonntags werden die Strecken länger. Erst fahre ich immer weiter nach Osten, biege aber vor der Nachbarstadt ab und fahre über ein grosses Flusskraftwerk wieder heim. Weil ich zu wenig zu Essen dabei habe und der Rückweg über die Hauptstrasse nicht schön ist, bin ich sehr, sehr hungrig, genervt und insgesamt nicht so begeistert.

Aber wenn ich so weit fahren kann, dann müsste ich es doch eigentlich bis in die Nachbarstadt schaffen? Für Espresso und Gebäck fahre ich ja fast überall hin, und ich weiss dort ein schönes Café mit Terrasse. Zudem kann ich notfalls überall unterwegs in den Zug steigen, weil die Strecke an der Regionalzuglinie entlang geht.

Am nächsten Sonntag ist es so weit und ich folge der Veloroute bis in die Nachbarstadt. Auch das Café finde ich wieder, auch wenn ich die richtige Abzweigung übersehe und unnötigerweise einen Schotterhang hinabschiebe. Es ist noch ein Plätzchen frei, ich bin nicht die einzige total schmuddelige Velofahrer:in dort, und das Team ist trotzdem total freundlich zu allen.

Während andere Velofahrer:innen sich mit einem Kafi und einem Gipfeli begnügen, bestelle ich grad die ganze Karte rauf und wieder runter: Espresso, Gipfeli, Birchermüesli, Zitronenwasser, Pancakes mit Ahornsirup und Früchten, oh, und noch einen Schoko-Donut. Und noch einen Espresso. Danach komme ich kaum noch aufs Fahrrad rauf, nur um fünf Minuten später festzustellen: Mm, das Gipfeli war lecker, ich hätte doch noch ein zweites nehmen sollen.

(Ich hatte Gegenwind! Das macht hungrig.)

Gestärkt mit Koffein und Zucker nehme ich dann auch den Weg zurück in Angriff. Das erste Stück auf einer anderen Strecke als auf dem Hinweg, entlang der Schnellzugstrecke und dem Fluss, mit hübschen Aussichten unterwegs, bis ich wieder auf der eigentlichen Veloroute lande und schliesslich wieder zu Hause ankomme. Damit habe ich dann über 100 Kilometer an einem Tag mit Laufen, Radeln und Schwimmen zurückgelegt. Das ist für mich unglaublich viel und ich hätte nie gedacht, dass ich das mal schaffe. Auch weiterhin bin ich die schlechteste Rennradlerin mindestens diesseits des Jura und muss wegen Rückenproblemen die eine oder andere Pause machen, aber weil es so schön war, wiederhole ich den Ausflug am nächsten Sonntag gleich wieder.

(Nebenbei google ich ganz dezent, was es als Velofahrer:in kostet, wenn man in einer Tempo-30-Zone zu schnell fährt… Koffein, Zucker und Rückenwind sind eine gefährliche Kombination für mich.)

Mitte Juli ist es dann endlich so weit: Sommerferien! Ich packe viele FFP2-Masken ein, habe Einzelsitzplätze reserviert und schicke mir noch eine Mail an mich selber mit Videolinks aus dem Home-Fitness: Schultern – Rücken – Hüfte – Knie. Der Zahn der Zeit und so.

Zuerst geht es nach Lübeck. Als erstes natürlich Marzipan kaufen. Danach wie immer weiter in meine Lieblingskirche St. Marien, die Kirchenmaus streicheln, an den zerbrochenen Glocken innehalten und eine Kerze anzünden. Später dann einfach durch die vielen wunderhübschen Strassen und Gässchen schlendern, abseits vom Touristenrummel.

Am nächsten Morgen fällt mir noch rechtzeitig ein, die Hotelschläppchen gegen die Laufschuhe zu tauschen, dann geht es zu einer Laufunde an den Elbe-Lübeck-Kanal. Hier führt mit der Alten Salzstrasse auch ein Radfernweg entlang, so dass man sich ein bisschen auf Radfahrer:innen achten muss. Dafür kann man sich hier kaum verlaufen, was in unbekannten Gegenden ja schon von Vorteil ist.

Später am Vormittag treffe ich dann endlich meine Grosstante wieder, und auch der Herr Papa kommt noch dazu, so schön! Gemeinsames Mittagessen, nach einem Päuschen dann auch Tee und Torte, miteinander plaudern und sich drücken. Hach.

Weiter geht es nach Plön, die Frau Mama und ihren neuen Partner besuchen, noch mehr Torte, Plaudern, Drücken, und auch dieser Tag ist viel zu schnell vorbei.

Nächste Zwischenstation ist Kiel, beim Herrn Papa bleibe ich ein etwas länger. Wir spazieren, sitzen auf Restaurant-Terrassen herum, besuchen Gräber, plaudern viel und fahren ein bisschen zusammen Fahrrad. Nur Torte gibt es zu meiner Enttäuschung keine mehr, dabei ist der Herr Papa eigentlich ein noch viel grösserer Café-Liebhaber als ich. Weil es im Norden keine Berge gibt, laufe ich zwischendurch die Hochbrücken hoch, irgendwoher müssen ja die Höhenmeter für den geplanten Jungfrau-Marathon kommen.

Der Zug für die Weiterfahrt fällt aus, aber trotzdem schaffe ich es dann auch noch nach Ostwestfalen, und treffe dort Freunde. Auch hier gibt es keine Torte, aber ebenfalls schöne Ausflüge unter anderem in eine Ziegelei, dazu viel Reden und Lachen. Und überhaupt, wieder Menschen treffen und umarmen, das ist einfach schön.

Die Rückfahrt in die Schweiz ist dann zum Glück ereignislos, und schon sind die Ferien und der August zu Ende.

Juni 2021 – Unangenehm, aber harmlos

Acht Tage nach der Erstimpfung bekomme ich eine riesige, juckende Quaddel am Oberarm, als ob eine Mücke in der Grösse eines kleinen Elefanten mal so eben ein bisschen gemütlich gefrühstückt hätte. Die Wissenschaft ist sich einig: Der „Covid-Arm“ ist zwar unangenehm, aber harmlos. Kühlpad und Kortisonsalbe helfen ein bisschen, und nach ein paar Tagen ist das dann auch wieder weg.

Das Wetter ist meistens schön und sommerlich, und so fahre ich weiter viel mit dem Rad umher. Und auch mal über den Berg auf die andere Seite vom Jura, dabei „Erdbeertörtchen, Vanille-Eis, Espresso“ vor mich hinmurmelnd. Jedenfalls, solange ich noch Luft dafür übrig habe. Irgendwann erreiche ich aber tatsächlich das geplante Café, und der Weg nach Hause führt weniger anstrengend um den Berg drumrum.

Kaum haben sich die Beine davon erholt, mache ich das, was ich schon sehr lange vorhabe: Ich laufe auf den höchsten Punkt vom Kanton, und schaffe es mit Spass und Schokokeksen tatsächlich bis ganz oben. Aber natürlich habe ich mir die Entfernung und die Höhenmeter vorher schon ziemlich schöngeredet, es ist weiter und anstrengender als gedacht.

Zurück an der Seilbahnstation gibt es zwar nicht den ersehnten Saft, aber immerhin Eistee, und so schaffe ich es dann auch wieder bis ganz nach unten. Dort lasse ich mich quasi direkt in die Aare rollen, für den ersten Schwumm der Saison.

Ein paar Tage später rächt sich der Übermut, ich habe eine fiese Wadenzerrung und statt Laufrunden gibt es ein bisschen Nordic Walking und noch mehr Velotouren als eh schon. Eine davon geht an einem See mit Badestelle vorbei, das muss ich natürlich auch ausprobieren. Und finde ihn viel zu warm im Vergleich zur Aare. Aber schön ist es schon.

Mitte Juni ist dann Zeit für Holunderblüten. Meine übliche Sammelstrecke im Wald ist wegen Wegarbeiten gesperrt, aber es finden sich glücklicherweise Alternativen. Und so lassen sich auch dieses Jahr wieder einige Sonnenstrahlen im Glas einfangen und für den Winter konservieren.

Weiter geht es mit dem Rad, und auch klar: In dem Moment, wo ich mal wieder begeistert festelle, dass man sich auf den gut ausgeschilderten Velorouten nicht verfahren kann, da verfahre ich mich. Und lande irgendwo mitten im Wald, wo es wirklich nicht mehr weitergeht. Eine Million Mücken freut sich sehr, ich mich nicht so sehr.

Aber dank GPS findet sich der richtige Weg schnell wieder. Allerdings wird dann das Wetter schlechter, meiner Wade geht es auch noch nicht wieder so richtig gut, der Kopf fängt an zu schmerzen, und so ziehe ich zum ersten Mal den Zug-Joker, fahre zum nächsten Bahnhof und lasse dann das Velo und mich gemütlich heimschuckeln.

Nebenbei kommt noch eine gute Nachricht: Der Jungfrau-Marathon 2021 findet statt. Die Organisatoren haben sich einiges einfallen lassen und unter anderem die Strecke und die Startaufstellung umgestellt, so dass die Corona-Regelungen erfüllt sind. Jetzt muss nur noch die Wade halten bis September, eine Laufweste für die Verpflegung gefunden werden und das Wetter bitte schön werden und die Corona-Zahlen niedrig bleiben.

Ende Juni dann die zweite Impfung. Die merke ich ziemlich deutlich, mit Gliederschmerzen, Schüttelfrost und Mimimiwäääh, aber hilft ja nix, nach 24 Stunden ist dann auch wieder gut und es bedeutet: Zweitgeimpft und zertifiziert, ich kann im Juli zur Familie fahren!

Gehört:
Coldplay – Higher Power
OneRepublic – Run

Sehr gelacht über:
Bestzeit-Podcast #56 „Endlich wieder was los – endlich wieder unterwegs“

Gebacken:
Nuss-Schoko-Kuchen mit Kirschen
Zitronenkuchen

Gesehen:
Ein Lauf durch unsere Stadt

Mai 2021 – Termine, Baby, Termine!

Am Vorabend vom ersten Mai kommt die offizielle Bestätigung: Ab Mai wird auch ohne Priorisierung in der Reihenfolge der Anmeldung geimpft. Da ich mich ziemlich sofort mit der Aufschaltung der Impfseite unseres Kantons Mitte Januar angemeldet habe, müsste ich damit eigentlich noch im Mai zumindest den ersten Termin bekommen. Auch wenn ich von den Einschränkungen nur wenig betroffen bin, jetzt bricht doch die Anspannung der letzten Monate über mir zusammen. Und ich schwanke zwischen Unglauben und Hoffnung, dass dieser ganze Mist doch irgendwann vorbei ist, und ich im Sommer zur Familie fahren kann.

Die nächsten Tage drehe ich dann ziemlich am Rad, zumal von den umliegenden Kantonen und Ländern ausgerechnet jetzt sehr viele Meldungen über ergatterte Termine und Erstimpfungen kommen. Ich freue mich für alle, aber ich würde halt auch gerne… Nach zehn Tagen kommt dann endlich die ersehnte SMS mit den Terminen, hurra!

(Hier im Kanton ist es ausgesprochen gut organisiert: registrieren, die beiden Termin per SMS bekommen, hingehen, impfen lassen, fertig. Das ist woanders anscheinend nicht so einfach.)

Der Mai riecht ansonsten nach Raps, nach Regen und den ersten Erdbeeren. Immerhin ist es jetzt warmer Regen, und nach Regen kommt Sonne kommt Regenbogen. „Bleiben Sie am bestem im Bett“, haben die Wetterfrösche gesagt, „Das Wetter wird morgen wirklich garstig“, haben sie gesagt. Aber dann hätte ich die leuchtenden Felder in der Morgensonne verpasst, und einen herrlichen Lauf durch den Wald im Frühlingsregen.

Auf unserem Hausberg liegt endlich kein Schnee mehr, so dass ich wieder anfangen kann, dort hochzulaufen. Naja, oder zumindest zu gehen, der Weg ist schon noch recht steil. Aber ich laufe ja wegen der Aussicht, und für die muss man halt hoch, hilft nix. Auch wenn man Küste kommt und mit dem Schubsen von Muscheln aufgewachsen ist statt mit Bergläufen.

Auch die Badi kommt aus dem Winterschlaf, darf öffnen und ich endlich wieder schwimmen. Allerdings geht irgendwas mit dem Vorheizen schief, und so hat das Wasser statt der eh schon kalten 18 Grad wie sonst bei Saisoneröffnung nur 14 Grad. Das ist, eh, schon sehr frisch. So habe ich zwar die Badi total Corona-konform für mich alleine, werde dann aber halt auch schockgefrostet und halte es nur für ein paar schnelle Bahnen aus.

Vor dem Impftermin ist dann erst noch der Termin mit der Fahrradwerkstatt, die sind heutzutage ähnlich begehrt. Die Ersatzteile für die Bremse sind endlich da, werden eingebaut, und so kann ich jetzt auch wieder die Steigungen hier hoch und runter fahren und quietsche nicht mehr das ganze Mittelland zusammen.

Am Morgen nach der Impf-SMS ist Himmelfahrt, und so kann ich morgens sehr früh auf einen der ersten (und damit leeren) Züge in die Nachbarstadt, um eine Runde um den See zu radeln und mir den Kopf freipusten zu lassen. Mich begleitet die ganze Zeit eine Regenwolke, aber selbst das ist mir egal, es tut nach der Terminaufregung der letzten Tage einfach gut.

Ab der Hälfte vom See fange ich an, wie so ein Profi-Radfahrer „Kafi, Gipfeli“ vor mich hinzumurmeln, und so gibt es noch einen kleinen kulinarischen Zwischenstop auf dem Weg vom See wieder nach Hause. Mit Koffein und Zucker im Blut radelt es sich ja auch gleich viel schneller, und auch der Rückenwind macht viel Spass. Vor allem entlang der schnurgeraden Bahnstrecke, wo man einfach nur so dahinrauschen kann.

Sagte ich schon, dass ich das mit dem Laufen wegen der Aussicht mache? Doof, wenn man gleichzeitig mit der Regenwolke oben ankommt und es nichts mehr ist mit der Aussicht. Immerhin, auch darüber kann man sich amüsieren. Jedenfalls im Mai.

Ein Woche später ist schon wieder Feiertag, und so fahre ich auf der Herzroute durch das Emmental. Das geht erstmal über Schotterwege die Emme entlang, dann hoch auf die Berge und vorbei an lauschigen Dörfern mit riesigen Bauernhöfen. Es ist alles sehr hübsch und üdüllüsch und wie ein einziges grosses Freilichtmuseum. Und, wer hätte es gedacht, es nieselt auch hier ein bisschen. Und es ist sehr frisch. Und ein wenig schlammig. So bin ich dann ganz froh, dass ich mich mit der Strecke ein bisschen verschätzt habe und früher als gedacht wieder zu Hause bin.

Nach dem ganzen „draussen“ bin ich zwischendurch immerhin lange genug daheim, um auch mal wieder ein Brot zu backen. Diesmal eines mit Möhre und Walnüssen, und beim Rausholen aus dem Ofen wundere ich mich, dass es noch so weich ist. Abends fällt mir auf, dass ich es 20 Minuten zu kurz gebacken habe… Das ist dann doch ein bisschen arg viel „ach, wird schon“ selbst für meine eher entspannte Brotbackhaltung, daher schiebe ich es kurzerhand nochmal in den Ofen. Das klappt tatsächlich, und so kommt auch das zum Glück doch noch gut.

Ende Mai dann: Impftermin. Genau gleichzeitig findet möglicherweise eine illegale Corona-Demo statt, daher ist alles rund um das Impfzentrum durch ein riesiges Polizeiaufgebot abgeriegelt, das ist schon ein bisschen seltsam… Für das Impfzentrum hat der Kanton dann alles aufgefahren, was Zivilschutz und Medizinisches Personal hergibt, und so wird ohne Wartezeit und Tralala perfekt durchorganisiert einfach im Akkord geimpft. Nur fast geheult vor Erleichterung, nur fast umgekippt vor Aufregung, und es immerhin sechseinhalb Minuten in der „15-Minuten-Nach-Impfung-Rumwarten“-Warteecke ausgehalten.

Erstgeimpft.

Gebacken:
Roggenvollkornbrot mit Möhre und Walnuss

Gehört:
Tom Odell – Another Love
Amy Macdonald – What Happiness Means To Me

Geschaut:
Rod Stewart: Live at the Royal Albert Hall
Sabine Meyer und die Klarinette

April 2021 – Uff

Der April war anstrengend. Viel zu tun bei der Arbeit, rund um meine eigentliche Arbeit ist viel zu organisieren, zu dokumentieren und auf die Beine zu stellen, bis alle hoffentlich wieder einigermassen zurechtkommen. Das Wetter ist so naja, es wird nochmal kalt und nass und mit Schnee auf dem Berg. Trotzdem bin ich am Monatsende wieder so weit, dass ich noch früher aufstehe als eh schon, um mein Sportprogramm in den Sonntagvormittag zu quetschen (Sonntagvormittage sind einfach zu kurz).

An einem der Sonntage läuft in einem Stream der Hamburg-Elite-Marathon, der auf einem Flugfeld in den Niederlanden stattfindet. Endlich wieder Marathon gucken! Zu meiner Freude funktioniert der Livestream nicht nur, sondern wird auch noch kommentiert von Ralf Scholt und Philipp Pflieger, und er endet mit einem Gänsehaut-Sieg von Katharina Heinig. Ausserdem erscheint in der Runner’s World eine gekürzte Version von meinem Bericht vom Jungfrau-Marathon-Supporter-Run: Kuchen, Kühe und ein Berglauf.

Im Fernsehen zeigt eine Dokumentation die schönsten Bahnstrecken der Schweiz. Die meisten Strecken davon bin ich schon gefahren, daran entlang gewandert oder geradelt. Und auch die Klänge sind ach so vertraut, der Ansagegong, das Abfahrtssignal, das „Alle Billette vorweisen bitte“. Das gut ausgebaute Netz der Schweizer Bahnen ist einer der Hauptgründe, warum ich so gerne in der Schweiz lebe, und nie hätte ich erwartet, dass Bahnfahren plötzlich nicht mehr selbstverständlich ist. Gedreht wurde im letzten Jahr, so dass man zuschauen kann, wie es langsam mehr Masken und weniger Menschen werden.

Ausserdem habe ich zwei Dokumentation über fahrradfahrende Frauen geschaut, auch hier mit dem Hintergrund der Pandemie, was macht man, was ist trotzdem möglich, wie es so vielen von uns gegangen ist. Zwei Profikletterinnen, die sonst auf der ganzen Welt unterwegs sind, fahren mit dem Rad durch die Schweiz und klettern dort ein bisschen herum. Besonders „Three Peaks & In Between“ über ein Rennen über 2000 Kilometer von Wien nach Nizza fasziniert mich sehr – nochmal Anfang 20 sein und dann so einen Quatsch machen! Aber weil ich damals andere Sachen gemacht habe, telefoniere ich stattdessen mit Berlin und unser Freundeskreis ist jetzt auf Kardinalschnitten in Wien verabredet, für nach der Pandemie, das ist auch sehr schön.

„Und googeln Sie das nicht so viel“ sagt die Frauenärztin, nachdem sie eine raue Hautstelle, die ich bisher gar nicht weiter beachtet hatte, als Lichen Sclerosus (LS), eine chronisch entzündliche, fortschreitende Hautkrankheit, diagnostiziert hat. Ich nicke freundlich, gehe nach Hause und google natürlich alles, was es darüber zu wissen gibt. Probiere dazu Salben aus, melde mich beim LS-Verein und in einer Facebook-Gruppe an, höre Vorträgen zu und nehme an einem Zoom-Meeting teil. Umfassend informiert zu sein ist wichtig für mich.

Viel mit dem Fahrrad übers Land gefahren. Löwenzahn wird zu Pusteblumen, die ersten Rapsfelder leuchten am Horizont, Obstbäume wetteifern miteinander um die schönsten Blüten und die meisten Brummsummseln. Jemand stirbt einfach so und wird nie mehr Bilder vom Himmel twittern. Langsam vergessen, dass es mal anders war, als es jetzt ist.

The wings are in your soul.

Weiterwarten.

Gesehen:
YouTube: Schon mal von LS gehört?
Traumhafte Bahnstrecken der Schweiz

Mitgefiebert:
„Rock ’n‘ Road“ mit Ines Papert und Caro North
Three Peaks & In Between

März 2021 – Angeschlagen

Der März fängt mit einem grossen Platsch an – sehr unelegant stolpere ich beim Laufen über einen Stein und die eigenen Füsse, kann mich nicht mehr fangen und lande auf dem Boden. Zum Glück passiert nichts schlimmeres, mit aufgeschlagenen Knien, angekratztem Ego und einem Loch in der Laufhose geht es wieder nach Hause.

Ein paar Tage später erwischt es mich dann doch noch richtig und ich liege einige Tage mit Fieber flach. Dazu Kopfschmerzen und ein bisschen Atemprobleme, aber kein Husten oder sonstige Schnupfensympteme. Das bedeutet natürlich: ich habe einen Corona-Test gewonnen. Sogar zwei, erst einen Schnelltest, und ein paar Tage später auch noch einen PCR-Test. Beide sind negativ, und dann geht es mir auch langsam wieder besser. Was auch immer das war und wie auch immer man alleine daheim überhaupt noch einen Infekt bekommen kann.

Auch mein Rennrad muss zum Doktor. Dort stellt sich heraus, dass die Bremse so lärmt, weil irgendwo im Bremssystem etwas undicht ist und Öl auf die Scheibe kommt. Das muss komplett getauscht werden, aber leider ist das System erst Ende April wieder lieferbar. So heisst es vorsichtig fahren und gedulden…

Sowieso, es fühlt sich gerade alles sehr nach Warteschleife an – es passiert nicht viel und ändert sich kaum etwas. Warten auf die Corona-Impfung, warten auf die Fahrradreparatur, warten auf wärmeren Fluss zum Schwimmen.

Heute vor einem Jahr: Am 13. März 2020 ist mein freier Freitag. Für den Nachmittag ist die Pressekonferenz des Bundesrates angekündigt und es ist schon klar: Ab Montag wird sehr vieles anders sein. Eigentlich will ich die Steuererklärung machen, beschliesse aber spontan, doch nochmal nach Bern zu fahren. Dort futtere ich mich durch das Frühstücksbuffet in meinem Lieblingsrestaurant, besorge ein paar Sachen, von denen ich denke, dass ich sie in den nächsten Wochen brauchen werde (Therabänder, Erdnussbutter, Tee,…), gehe nochmal in den Laufladen und sammele ein Paar Laufschuhe meiner Lieblingsmarke ein, und spaziere wie immer noch ein bisschen durch die Altstadt und am Fluss entlang. Die Stimmung ist spürbar angespannt und alle sind schon auf Abstand bedacht. Später dann ist klar: Ab Montag ist alles zu, und mir brechen innerhalb von drei Tagen alle sozialen Kontakte weg – Arbeitskollegen, die Apfelfrau und die Gemüsefrau vom Markt, der nette Bademeister, die fröhliche Physio, das Team vom Fitness. Und so gerne ich auch alleine bin, das zieht mir dann doch erstmal den Boden unter den Füssen weg und erschüttert mich nachhaltig.

(Das wird vermutlich auch das erste sein, was ich nach der Impfung machen werde: Einen Tag freinehmen, nach Bern fahren, Torte essen. Und vielleicht alle umarmen, die nicht schnell genug wegrennen.)

Ende März ist dann plötzlich Frühling – es ist warm und sonnig, und so laufe ich durch Wälder voller Buschwindröschen und radle durch Wiesen voller Löwenzahn. So, so schön!

Gegessen:
Quinoa-Erdnuss-Auflauf mit Erbsen und Möhren
Viele, viele Kiwis, Ingwer-Blutorangen-Tee und Beerentörtchen
Sehr viel Osterschoki, die macht bestimmt hoppelhasenschnell!

Geschaut:
Die neuen Folgen der Bewegungs-Docs

Gehört:
Podcast „Durch die Gegend“
Saybia – In Spite Of

Gesportelt:
Zwei Wochen Sportpause wegen Fieber. Daher viel spaziert. (Ich hasse spazieren.)