Juli 2021 – Einmal Hochwasser und zurück
23. Januar 2022
Es ist Juli. Es regnet. Und regnet und regnet und regnet. Der Frost im Frühling hat einen Teil der Apfelblüten zerstört, dann hat der Hagel im Mai viele Erdbeerfelder vernichtet und Pfirsiche aus dem Buechibärg wird es dieses Jahr keine geben. Jetzt schwimmt ein grosser Teil der Ernte auf den Feldern davon. Es ist kein gutes Jahr für die Obst- und Gemüseproduzent:innen.
Pech mit dem Wetter haben auch die Teilnehmer:innen des Three Peaks Bike Race, das in diesem Jahr von Wien nach Barcelona führt. Nachdem mich die Dokumentation vom letzten Jahr so begeistert hat (Trailer), verfolge ich gespannt die diesjährige Ausgabe auf Dotwatcher und Instagram. Bei über 30 Grad und Sonnenschein wird in Wien gestartet. Als die meisten Teilnehmer:innen die Schweiz erreichen, ist es vorbei mit dem schönen Wetter und ein Unwetter tobt sich in den Bergen aus – Regen, Hagel, Sturm, Schnee, das ganze Programm inklusive gesperrter Alpenpässe. Am liebsten würde ich mich bei allen persönlich entschuldigen und versichern, dass es hier sonst wirklich schön ist. Und bin erleichtert, sobald sich die kleinen Punkte auf der Landkarte aus der Schweiz herausbewegen, nach Frankreich und in besseres Wetter, später durch die Pyrenäen (einige wählen Bergwegen, bei denen das Rad getragen werden muss…) und weiter ins Ziel.
Mein Wade geht es zum Glück wieder besser, und so stehen auch wieder lange Läufe auf dem Plan, mit der gewohnten Runde an der Aare entlang ins Nachbarstädtchen.
Aber da war ja etwas mit Hochwasser. Daher sind weite Teile vom Aareweg gesperrt und ich muss mich irgendwie aussenrum lavieren. Auch auf der Strasse oberhalb vom Fluss merkt man den vielen Regen der letzten Zeit, ohne Erdrutsche und umgestürzte Bäume geht es auch hier nicht. Zum Schluss treffe ich noch auf einen sehr schlecht gelaunten Bussard. Der natürlich nur sein Nest verteidigt, aber ich würde da halt auch gerne vorbei… So versuche ich den Spagat zwischen „zwischen den Sträuchern unsichtbar machen und nicht bewegen“ und „so schnell wie möglich weg hier“, und bin heilfroh, als ich wieder auf gewohntem Terrain bin und der Rückweg auf der anderen Flussseite viel langweiliger ist. Dieser Tag kommt definitiv nicht in den Top 10 der schönsten Läufe, und für den Rest vom Juli laufe ich stattdessen viele kleine Runden auf der Hausstrecke, wo es weder Hochwassersperrungen noch Bussarde gibt.
Derweil eskaliert die Situation mit dem Fahrradfahren weiter. Unter der Woche geht es ein Stück weit den Berg hoch, Sonntags werden die Strecken länger. Erst fahre ich immer weiter nach Osten, biege aber vor der Nachbarstadt ab und fahre über ein grosses Flusskraftwerk wieder heim. Weil ich zu wenig zu Essen dabei habe und der Rückweg über die Hauptstrasse nicht schön ist, bin ich sehr, sehr hungrig, genervt und insgesamt nicht so begeistert.
Aber wenn ich so weit fahren kann, dann müsste ich es doch eigentlich bis in die Nachbarstadt schaffen? Für Espresso und Gebäck fahre ich ja fast überall hin, und ich weiss dort ein schönes Café mit Terrasse. Zudem kann ich notfalls überall unterwegs in den Zug steigen, weil die Strecke an der Regionalzuglinie entlang geht.
Am nächsten Sonntag ist es so weit und ich folge der Veloroute bis in die Nachbarstadt. Auch das Café finde ich wieder, auch wenn ich die richtige Abzweigung übersehe und unnötigerweise einen Schotterhang hinabschiebe. Es ist noch ein Plätzchen frei, ich bin nicht die einzige total schmuddelige Velofahrer:in dort, und das Team ist trotzdem total freundlich zu allen.
Während andere Velofahrer:innen sich mit einem Kafi und einem Gipfeli begnügen, bestelle ich grad die ganze Karte rauf und wieder runter: Espresso, Gipfeli, Birchermüesli, Zitronenwasser, Pancakes mit Ahornsirup und Früchten, oh, und noch einen Schoko-Donut. Und noch einen Espresso. Danach komme ich kaum noch aufs Fahrrad rauf, nur um fünf Minuten später festzustellen: Mm, das Gipfeli war lecker, ich hätte doch noch ein zweites nehmen sollen.
(Ich hatte Gegenwind! Das macht hungrig.)
Gestärkt mit Koffein und Zucker nehme ich dann auch den Weg zurück in Angriff. Das erste Stück auf einer anderen Strecke als auf dem Hinweg, entlang der Schnellzugstrecke und dem Fluss, mit hübschen Aussichten unterwegs, bis ich wieder auf der eigentlichen Veloroute lande und schliesslich wieder zu Hause ankomme. Damit habe ich dann über 100 Kilometer an einem Tag mit Laufen, Radeln und Schwimmen zurückgelegt. Das ist für mich unglaublich viel und ich hätte nie gedacht, dass ich das mal schaffe. Auch weiterhin bin ich die schlechteste Rennradlerin mindestens diesseits des Jura und muss wegen Rückenproblemen die eine oder andere Pause machen, aber weil es so schön war, wiederhole ich den Ausflug am nächsten Sonntag gleich wieder.
(Nebenbei google ich ganz dezent, was es als Velofahrer:in kostet, wenn man in einer Tempo-30-Zone zu schnell fährt… Koffein, Zucker und Rückenwind sind eine gefährliche Kombination für mich.)
Mitte Juli ist es dann endlich so weit: Sommerferien! Ich packe viele FFP2-Masken ein, habe Einzelsitzplätze reserviert und schicke mir noch eine Mail an mich selber mit Videolinks aus dem Home-Fitness: Schultern – Rücken – Hüfte – Knie. Der Zahn der Zeit und so.
Zuerst geht es nach Lübeck. Als erstes natürlich Marzipan kaufen. Danach wie immer weiter in meine Lieblingskirche St. Marien, die Kirchenmaus streicheln, an den zerbrochenen Glocken innehalten und eine Kerze anzünden. Später dann einfach durch die vielen wunderhübschen Strassen und Gässchen schlendern, abseits vom Touristenrummel.
Am nächsten Morgen fällt mir noch rechtzeitig ein, die Hotelschläppchen gegen die Laufschuhe zu tauschen, dann geht es zu einer Laufunde an den Elbe-Lübeck-Kanal. Hier führt mit der Alten Salzstrasse auch ein Radfernweg entlang, so dass man sich ein bisschen auf Radfahrer:innen achten muss. Dafür kann man sich hier kaum verlaufen, was in unbekannten Gegenden ja schon von Vorteil ist.
Später am Vormittag treffe ich dann endlich meine Grosstante wieder, und auch der Herr Papa kommt noch dazu, so schön! Gemeinsames Mittagessen, nach einem Päuschen dann auch Tee und Torte, miteinander plaudern und sich drücken. Hach.
Weiter geht es nach Plön, die Frau Mama und ihren neuen Partner besuchen, noch mehr Torte, Plaudern, Drücken, und auch dieser Tag ist viel zu schnell vorbei.
Nächste Zwischenstation ist Kiel, beim Herrn Papa bleibe ich ein etwas länger. Wir spazieren, sitzen auf Restaurant-Terrassen herum, besuchen Gräber, plaudern viel und fahren ein bisschen zusammen Fahrrad. Nur Torte gibt es zu meiner Enttäuschung keine mehr, dabei ist der Herr Papa eigentlich ein noch viel grösserer Café-Liebhaber als ich. Weil es im Norden keine Berge gibt, laufe ich zwischendurch die Hochbrücken hoch, irgendwoher müssen ja die Höhenmeter für den geplanten Jungfrau-Marathon kommen.
Der Zug für die Weiterfahrt fällt aus, aber trotzdem schaffe ich es dann auch noch nach Ostwestfalen, und treffe dort Freunde. Auch hier gibt es keine Torte, aber ebenfalls schöne Ausflüge unter anderem in eine Ziegelei, dazu viel Reden und Lachen. Und überhaupt, wieder Menschen treffen und umarmen, das ist einfach schön.
Die Rückfahrt in die Schweiz ist dann zum Glück ereignislos, und schon sind die Ferien und der August zu Ende.